Der Referentenentwurf der EnSiTrV liegt vor.

Im Juli 2022 wurden durch eine Änderung des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) mehrere Ermächtigungsgrundlagen geschaffen, um bereits in einer Vor-Krisenlage verordnungsrechtliche Maßnahmen treffen zu können. Damit soll das Eintreten eines Krisenfalls möglichst vermieden werden. Neben Energieeinsparmaßnahmen zielt der Gesetzgeber auf eine prioritäre Nutzung von Verkehrsleistungen für Energietransporte ab. Nunmehr liegt der Referentenentwurf (Bearbeitungsstand 18.08.2022) für ein Energiesicherungstransportverordnung (EnSiTrV) vor, mittels derer die planerisch vorrangige Abwicklung von Transporten von Energieträgern und Großtransformatoren ermöglicht werden soll. Von Alexander Matzner.

1. Hintergrund

Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine im gleichzeitigen Zusammenwirken mit außergewöhnlich niedrigen Wasserstände lässt aus Sicht der Bundesregierung eine Situation befürchten, bei der der Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien und Stromnetzen nicht mehr gewährleistet werden kann. Der verstärkte Bedarf an Kraftwerkskohle und Mineralölprodukten wegen des Wechsels des Einsatzbrennstoffs zur Gaseinsparung erfordere erhebliche Transportkapazitäten, welche durch eine ohnehin wegen zusätzlicher Getreidetransporte ausgelastete Binnenschifffahrt nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Um dem vorzubeugen, sei eine logistische Planung von Energietransporten und Großtransformatoren unter verstärkter Inanspruchnahme des Schienenverkehrs erforderlich, die in der Konsequenz zur Beschränkung anderer Schienenverkehre führen. Dies bedürfe einer Rechtsgrundlage, auf deren Basis Transporte so vorrangig abgewickelt werden können, dass die Versorgung mit Energieträgern als übergreifendes gesellschaftliches Interesse gewährleistet bleibt. Untergesetzliche Maßnahmen, beispielsweise die Anpassung der Netznutzungsbedingungen der Bahn genügten als Instrumentarium allein nicht mehr, um das Ziel einer ausreichenden Versorgung mit Energieträgern und den Transport von Großtransformatoren zu erreichen.

2. Energiesicherungsgesetz als Ermächtigungsgrundlage

Ermächtigungsgrundlage für die EnSiTrV ist § 30 EnSiG. Die Vorschrift wurde mit dem „Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften (GasVReG)“ vom 08.07.2022 eingeführt. Die darin enthaltenen Verordnungsermächtigungen ermöglichen Maßnahmen schon vor dem Krisenfall, knüpfen jedoch daran an, dass eine Vor-Krisenlage vorliegt und Maßnahmen ergriffen werden sollen, die den Krisenfall möglichst vermeiden. Neben Energieeinsparmaßnahmen wird dabei auf eine rechtssichere prioritäre Nutzung von Verkehrsleistungen für Energietransporte und Großtransformatoren abgezielt.

3. Vorrang von Energieträgertransporten (§ 1 EnSiTrV-E)

Der Grundsatz der EnSiTrV besteht darin, dass künftig schienengebundene Transporte von festen, flüssigen und gasförmigen Energieträgern mit planerischem Vorrang abgewickelt werden sollen. Umfasst sind sowohl die Planung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen als auch die für die Abwicklung erforderlichen Serviceeinrichtungen. Die Priorisierung erfolgt innerhalb eines durch die Verordnung definierten Energiekorridornetzes, dem die Transportbedarfe der Energie- und Mineralölwirtschaft zugrunde liegen. Dabei können nur solche Transporte von der Privilegierung Gebrach machen, die zur Gewährleistung der Versorgung mit Energieträgern erforderlich sind, was durch einen geeigneten Nachweis glaubhaft zu machen ist. Der Nachweis ist vom Eisenbahnverkehrsunternehmen gegenüber dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu verwenden, um den vorrangigen Transport zu ermöglichen und zu dokumentieren. Für den Kraftwerksbereich ist ein vorrangiger Transport erforderlich, wenn ohne die vorrangige Abwicklung nicht gewährleistet ist, dass die Bevorratungsverpflichtung nach § 50b EnWG erfüllt oder wenn der unterbrechungsfreie Betrieb des Kraftwerks wegen fehlender Brennstoffmengen akut gefährdet wird. Transporte zu Mineralölraffinerien sind dann erforderlich, wenn dies für den unterbrechungsfreien Betrieb notwendig ist. Transporte zur Befüllung von Mineralöltanklagern sind erforderlich, wenn andernfalls ein Leerstand des Lagers droht. Zur Gewährleistung einer stabilen Energieversorgung und aufgrund bestehender Kapazitätsengpässe beim Wagenmaterial dürfen auch solche Güterwagen eingesetzt werden, die nicht mehr den geltenden Lärmschutzstandards entsprechen. Die Vorschriften des Schienenlärmschutzgesetzes werden insoweit von der Anwendung ausgeschlossen.

4. Vorrang von Transporten von Großtransformatoren (§ 2 EnSiTrV-E)

Bei Ausfall oder Zerstörung von Transformatoren ist ein schneller Ersatz bzw. eine schnelle Reparatur notwendig, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten. Großtransformatoren für Übertragungsnetze weisen Transportgewichte von bis zu 400 Tonnen bei Ladeprofilen bis zu 4,77 Meter Höhe und 13 Meter Länge auf und können deshalb nur eingeschränkt über das Straßennetz transportiert werden. Deshalb sollen solche Großtransformatoren künftig schienengebundene mit planerischem Vorrang transportiert werden, soweit durch einen verzögerten Transport die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems erheblich gefährdet wird.

5. Befugnisse der Bundesnetzagentur (§ 5 EnSiTrV-E)

Die Bundesnetzagentur kann von den Beteiligten, d.h. insbesondere von den Betreibern von Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen die Vorlage der Nachweise verlangen, die die Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahmen belegen. Die Befugnisse beschränken sich dabei auf Prüfungen ex-post, so dass Verzögerungen bei der Trassenzuweisung und damit der Durchführung der priorisierten Verkehre ausgeschlossen sind.

6. Ausschluss der Haftung (§ 5 EnSiTrV-E)

Durch die Beschränkung anderer Personen- und Güterverkehre können erhebliche Folgeschäden entstehen, etwa durch Forderungen aus Fahrgastrechten und durch unterbliebene oder verspätete Lieferungen. Schadensersatzansprüche gegen Betreiber von Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen, die sich aufgrund von Handlungen nach der Verordnung ergeben könnten, insbesondere wegen vertragswidrigem Verhalten, werden deshalb durch die Verordnung ausgeschlossen.

7. Geltungsdauer

Die Verordnung soll sofort nach Verkündung in Kraft treten. Die Geltungsdauer ist auf maximal sechs Monate beschränkt, da die Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen wird (§30 Abs. 4 EnSiG).

 

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