Interview mit Hubert Aiwanger

Die Energiewirtschaft befindet sich in einem massiven Umbruch. Wir hatten Gelegenheit, mit Hubert Aiwanger, dem bayerischen Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, zu sprechen.
Herr Staatsminister, vor kurzem haben Sie auf einer Veranstaltung des Energieeffizienznetzwerk 4E die besondere Bedeutung von Wasserstoff als Schlüssel für die Energiewende betont. Haben Sie hier schon bestimmte Projekte im Blick? Und wo sollten insoweit künftig die Förderschwerpunkte gesetzt werden?
Aiwanger: Bayern hat ehrgeizige Klimaschutzziele. Daher müssen wir Energie- und Mobilitätswende zukünftig stärker gemeinsam denken. Wasserstoff wird hierfür eine tragende Rolle spielen, denn Wasserstoff bietet mit vielfältigen Lösungen eine Brücke zwischen den Bereichen Energie, Verkehr und Industrie.Seit der Berichterstattung im Jahr 2018 gab es bedeutende Entwicklungen, die sich auf das Angebot und die Nachfrage von Elektrizität auswirken: Im Oktober 2019 beschloss die Bundesregierung das Klimaschutzprogramm 2030. Danach will die Bundesregierung u. a. im Wärme- und Verkehrsbereich stärker auf erneuerbare Energie setzen. Dies soll z. B. durch den möglichst direkten Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien geschehen. Wesentliche Bestandteile sind die Förderung der Elektromobilität und der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Bis zum Jahr 2030 sollen sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen und eine Million Ladepunkte vorhanden sein. Öl- und Gasheizungen sollen ersetzt werden durch „klimafreundliche Anlagen“ oder „erneuerbare Wärme“.
Das enorme Potenzial von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft muss gehoben werden. Der Freistaat Bayern, die bayerische Industrie und die zahlreichen Forschungseinrichtungen haben in den vergangenen Jahren die Grundlagen gelegt, um zu den Vorreitern im Bereich innovativer Wasserstofftechnologien zu gehören. Bayern verfügt damit über das technologische Potenzial und die industriellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wasserstoffwirtschaft. Dazu bündeln wir Kompetenzen und Kräfte und treiben die praktische Anwendung voran.
Zu diesem Zweck haben wir ein Zentrum Wasserstoff Bayern mit Sitz in Nürnberg gegründet und mit den Akteuren aus Forschung und Industrie ein Wasserstoffbündnis vereinbart. Wir wollen damit Bayern zum führenden Standort bei der industriellen Fertigung von Wasserstoff-Schlüsselkomponenten ausbauen.Die Maßstäbe für die Prüfung des Bundesrechnungshofes sind die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit umfasste hier insbesondere die Beachtung des EnWG betreffend die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Versorgung mit Strom. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit verfolgte einen gesamtwirtschaftlichen Ansatz und berücksichtigte die Aufgaben des BMWi als Energieministerium sowie als Wirtschaftsministerium.
Als Energieministerium hat das BMWi die Energiewende zu gestalten. Zentrales Anliegen der Bundesregierung ist es dabei, die Ziele des energiepolitischen Dreiecks aus Klima- und Umweltverträglichkeit, Versorgungsicherheit und Bezahlbarkeit miteinander in Einklang zu bringen. Dabei stehen erhebliche Ausgaben und Kosten im Raum. Eine Studie aus dem Jahr 2016 geht davon aus, dass in den Jahren 2000 bis 2025 einschließlich der Netzausbaukosten insgesamt rund 520 Mrd. Euro für die Energiewende im Bereich der Stromerzeugung aufgebracht werden müssen. Der Bundesrechnungshof schätzte die der Energiewende zurechenbaren Ausgaben und Kosten allein für das Jahr 2017 auf mindestens 34 Mrd. Euro.
Als Wirtschaftsministerium hat das BMWi die Rahmenbedingungen für Unternehmen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Verbraucher in Deutschland mitzugestalten. Es soll durch Fördermaßnahmen für Technologien, den Mittelstand sowie den Energieund Außenwirtschaftsbereich Impulse setzen für dauerhaftes, tragfähiges Wachstum und Wohlstand. Damit soll es auch einen Beitrag leisten, um die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu sichern. Für Mittelstands-, Innovations- und Technologieförderung waren 5,4 Mrd. Euro im Bundeshaushalt 2020 veranschlagt.
Schwerpunkte sehe ich dabei bei der Entwicklung und Demonstration von neuartigen PEM-Elektrolyseuren im größeren MW-Bereich, der Entwicklung und Erprobung von Brennstoffzellen basierter Elektromobilität als emissionsfreie Antriebstechnologie insbesondere bei Logistik und Langstreckenverkehr von schweren Nutzfahrzeugen über Bus und Bahn bis hin zum Schiff.
Darüber hinaus streben wir einen Ausbau des Wasserstofftankstellennetzes an. Ziel dabei ist 100 Wasserstofftankstellen bis 2025 in Bayern.
Wenn es um die Nutzung von Wasserstoff als Speicher für erneuerbare Energien geht, fällt in letzter Zeit vermehrt das Stichwort „LOHC“ (liquid organic hydrogen carriers). Ein erheblicher Teil der Grundlagenforschung zu flüssigen organischen Wasserstoffträgern stammt bekanntlich aus Bayern. Wie beurteilt Ihr Ministerium diese Technologie und sind auch hierzu Projekte geplant?
Aiwanger: Wir sind stolz darauf, in Erlangen herausragende Forscherpersönlichkeiten wie Herrn Prof. Peter Wasserscheid zu haben, der maßgeblich die Entwicklung der neuen Wasserstoffspeicherung und –logistik mit LOHC entwickelt hat. Nicht zu Unrecht wurde er heuer für den Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert. Mit dieser Technik ist es möglich Wasserstoff drucklos an eine Trägerflüssigkeit zu binden und mit der bestehenden Infrastruktur (LKW, Schiff, etc.) zu verteilen.
Das bayerische Wirtschaftsministerium hat bereits früh die Chancen dieser neuen Technologie erkannt, unterstützt dies im Bereich der FuE erheblich und hofft, dass Bayern der Standort weltweit für die LOHC-Technologie wird.
Wir fördern aktuell u.a. ein Vorhaben, um die LOHC-Technologie auch als Antriebstechnologie bei schweren Nutzfahrzeugen zu etablieren.
Biogas bzw. Biomasse ist zwar ebenfalls speicherbar, aber kann nur einen kleinen Teil des Energieverbrauchs, d.h. ca. 10 %, in Deutschland abdecken. Zudem ist die Förderung von Biogas mit deutlich über 10 ct/kWh sehr hoch. Hingegen hat Photovoltaik flächenspezifisch eine deutlich höhere Energieausbeute. Alle Energiesystemanalysen zeigen, dass wir einen höheren Ausbau von Photovoltaik benötigen. Sollte es nicht Anreize geben, die bislang genutzte Fläche für Biogas auch für Freiflächenanlagen zur Verfügung zu stellen?
Aiwanger: Biogas kann rund um die Uhr im Jahr erzeugt werden, z.B. auch nachts, wenn die Sonne nicht scheint und die Bürger trotzdem Energie nutzen wollen. Auch bei längeren Flauten der volatilen Energieerzeugung von Photovoltaik und Wind, z.B. im Winter, kann Biogas das Energiesystem stützen. Biogas ist also nicht nur speicherbar, sondern kann auch Tag und Nacht in der Biogasanlage hergestellt werden. Aus Biogas wird aber nicht nur Strom, sondern gleichzeitig auch Wärme erzeugt. Damit kann in Biogasanlagen ein Gesamtwirkungsgrad von rund 80 bis 90 Prozent erreicht werden. Das kann Photovoltaik nicht.
Darüber hinaus werden auf den Anbauflächen Kulturen für verschiedene Nutzungszwecke Nahrung, Tierfutter und Energie angebaut. Diese Kulturen werden je nach Preis und Güte der aufgewachsenen Kultur bedarfsorientiert eingesetzt. Wenn z. B. die Zuckerrübe nicht von ausreichender Qualität für den Zuckermarkt ist, dann wird sie je nach Qualität und Bedarf als Futter für Tiere zur Fleischerzeugung genutzt oder in der Biogasanlage verwendet. Die Fläche muss somit nicht zwangsläufig nur für die Energienutzung eingesetzt werden. Auch findet auf den Flächen ein Fruchtfolgewechsel statt, so dass die Flächen nicht immer mit der gleichen Verwendung der Erzeugnisse genutzt werden. Mit der PV-Nutzung wäre die Vielfalt der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung stärker eingeschränkt.
In Biogasanlagen werden zu einem großen Teil Gülle und Mist sowie Bioabfall und landwirtschaftliche Reststoffe eingesetzt, die nicht flächenrelevant sind. Ohne Biogasanlagen könnten auch diese Einsatzstoffe nicht zur Energieerzeugung genutzt werden.
Es kommt auf den Mix der Erzeugungstechnologien an. Wir müssen alle Potentiale und Synergieeffekte der verschiedenen Energieerzeugungsanlagen betrachten, intelligent nutzen und kombinieren, um mit der höchsten Effizienz erneuerbare Energie zu erzeugen.
Aktuell ist die Eigenversorgung wieder mehr in den Fokus geraten. Der Gesetzgeber hat kürzlich neue Regelungen zur Abgrenzung von Eigenstrom und Drittstrom verabschiedet. Als Auslegungshilfe dazu hat die Bundesnetzagentur ein 55-seitiges! Hinweispapier vorgelegt. Läuft die Energiewende nicht Gefahr, sich in der Komplexität der regulatorischen Vorgaben zu verheddern? Und wie können wir es schaffen, dass wir unsere Unternehmen und den Mittelstand aufgrund einer ausufernden Bürokratie unterwegs nicht verlieren?
Aiwanger: Mir ist das Thema Eigenversorgung sehr wichtig, weil wir damit Impulse für die dezentrale Energiewende setzen können. Die europäische RED-II-Richtlinie fordert Änderungen, die genau in diese Richtung gehen. Wir sollten diese Vorgaben zum Anlass nehmen, die Regelungen zur Eigenversorgung im EEG grundlegend zu überarbeiten, um zum Beispiel den gemeinsamen Betrieb einer PV-Dachanlage durch mehrere Personen zu ermöglichen. So können wir nicht nur Hauseigentümern und Gewerbetreibenden, sondern auch Wohnungseigentümern und Mietern eine attraktive Lösung bieten. Bei der Eigenversorgung aus Stromerzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung von höchstens 40 Kilowatt sollte in Zukunft die EEG-Umlage ausnahmslos entfallen. Bei einer installierten Leistung von höchstens 100 Kilowatt sollte dem Anlagenbetreiber während der potenziellen Förderdauer die Möglichkeit eingeräumt werden, durch einen Verzicht auf eine effektive Förderung des eingespeisten Stroms eine vollständige Befreiung von der EEG-Umlage für den selbst verbrauchten Strom zu erlangen. Auch eine gesetzlich geregelte Abnahmemöglichkeit für Überschussstrom solcher Kleinanlagen könnte in diesem Zusammenhang die Herausforderungen für Anlagenbetreiber reduzieren. Bayern wird demnächst eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg bringen. Wir müssen auch mehr darauf achten, dass Bürger und Wirtschaft die gesetzlichen Regeln verstehen und anwenden können. Ich glaube, dass dem gerade bei der Energie in der Vergangenheit zu wenig Beachtung geschenkt worden ist.
Es setzt sich - so zumindest unser Eindruck - in der politischen Diskussion die Erkenntnis durch, dass „CO2 einen Preis haben“ muss, um die Klimaziele zu erreichen. Gleichzeitig wächst die Sorge vor einer Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und einer Verlagerung von Emissionen ins Ausland. Was würde eine CO2-Bepreisung für den Wirtschaftsstandort Bayern bedeuten?
Aiwanger: Ich teile zwar die Ansicht, dass eine intelligente CO2-Bepreisung ein geeignetes marktwirtschaftliches Instrument sein kann. Allerdings müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts und mögliche soziale Härten für Geringverdiener, Mieter und Pendler, insbesondere im ländlichen Raum, im Blick behalten.
Die Bedeutung einer CO2-Bepreisung für den Wirtschaftsstandort Bayern hängt deshalb ganz wesentlich von dem konkreten Reformvorschlag ab. Denn der Begriff der CO2-Bepreisung umfasst eine Vielzahl von möglichen Ausgestaltungen, welche ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Menschen und Unternehmen in Bayern haben würden. Entscheidend wird sein, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger auch an anderer Stelle zu entlasten. Denn die beabsichtigte Verhaltensänderung kann man nur fordern, wenn echte Alternativen bestehen. Anders als in Großstädten kann man zum Beispiel auf dem Land meist nicht einfach vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr wechseln. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland muss zudem garantiert werden, dass die Wirtschaft an geeigneter Stelle spürbar entlastet wird. Das heißt zum Beispiel, dass Strom deutlich günstiger werden muss. Hier kann man durch eine Absenkung der Strompreise und Zuschüssen auf das EEG-Konto gerade dem Mittelstand wieder Luft zum Atmen geben. Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und bei denen eine Verlagerung ins Ausland droht, könnten zusätzliche Kompensationsmaßnahmen erforderlich sein, um eine Verlagerung von Emissionen ins Ausland zu verhindern
Stichwort Elektromobilität: Welche Chancen sehen Sie darin für die Energiewende - gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Klimadiskussion?
Aiwanger: Der Ausbau der Elektromobilität ist ein möglicher Weg, die Klimabelastung und den Schadstoffausstoß des Verkehrs zu reduzieren. Daneben sollten andere Varianten, wie Brennstoffzellenantriebe auf Wasserstoffbasis oder Ausbaus des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, gleichermaßen Beachtung finden. Entscheidend für eine verträgliche Elektromobilität ist es, den Strombezug intelligent zu machen. Der Strom muss dann gezielt bezogen werden, wenn er reichlich aus erneuerbaren Energien verfügbar ist und gleichzeitig genügend freie Stromleitungskapazitäten vorhanden sind.
Bei einem großflächigen Markthochlauf der Elektromobilität wird insbesondere die Netzintegration eine Rolle spielen. Sofern Elektrofahrzeuge zudem als „Flexibilität“ für das Netz genutzt werden sollen, müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen angepasst werden. Verfolgt die bayerische Staatsregierung hier bereits bestimmte Ansätze, um die netzdienliche Nutzung von Elektrofahrzeugen zu fördern?
Aiwanger: Dazu müssen wir vor allem auch das Abgaben- und Umlagensystem weiterentwickeln. Mit flexibleren Strompreisen müssen wir Anreize schaffen, dass die Autobesitzer ihre Fahrzeuge zur richtigen Zeitpunkt laden. Dafür muss gleichzeitig genug erneuerbarer Strom am Markt vorhanden sein und die Stromnetze dürfen nicht überlastet werden. Keinesfalls soll ein Mehrverbrauch fossiler Energieträger zur Stromerzeugung resultieren. Allerdings halte ich nichts davon, für die Elektromobilität allein neue Regeln zu schaffen. Wenn das funktionieren soll, brauchen wir einen technologieneutralen Regulierungsrahmen, der auch für andere der so genannten Sektorenkopplungstechnologien funktioniert.
Ein großes Hemmnis für den Ausbau von Elektroladesäulen - und übrigens auch für PV-Mieterstrom - stellen die Zustimmungsregelungen im Wohneigentums-gesetzt (WEG) dar. Erfreulicherweise hat Bayern gemeinsam mit Baden-Württemberg jüngst eine Bundesratsinitiative hierzu eingebracht. Konnten bereits weitere Bundesländer für die Sache gewonnen werden und wie schätzen Sie den weiteren Verlauf der Initiative ein?
Aiwanger: Der gemeinsame Gesetzesentwurf soll nach unserer Vorstellung auf die Tagesordnung der Bundesratssitzung vom 20. September 2019 kommen. Der weitere Gang des Verfahrens hängt nun von der Debatte und der Abstimmung der Länder ab. Bayern wird hier aber am Ball bleiben, damit eine zukunftsfähige und praktikable Lösung herauskommt.
Die deutliche Absenkung der Voraussetzungen für den Einbau von Ladestellen ist ein wichtiger Baustein, damit die Elektromobilität vorankommt und er muss rasch kommen. Das Vorziehen der Neuregelungen zum Thema Elektromobilität soll aber nicht zu Lasten der anstehenden umfassenden Reform des WEG gehen.
Die Justizministerkonferenz hat auf bayerische Initiative hin eine Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsrechts eingesetzt. Der Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe kann seit kurzem auf der Internetseite des bayerischen Justizministeriums eingesehen werden. Er enthält konkrete Vorschläge auch zur Elektromobilität. Bauliche Veränderungen zur Schaffung von Lademöglichkeiten für elektrisch betriebene Fahrzeuge sollen als sog. privilegierte Maßnahmen gelten, ebenso wie Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit und zum Einbruchsschutz. Jeder Wohnungseigentümer soll künftig einen Anspruch haben, dass privilegierte Maßnahmen durch Beschluss ermöglicht werden. Zum Schutz der übrigen Wohnungseigentümer darf aber auch eine solche privilegierte Maßnahme nicht eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage oder eine unbillige Beeinträchtigung einzelner Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern zur Folge haben. Die Bau- und Folgekosten soll der begünstigte Wohnungseigentümer tragen.
Damit die Energiewende vorankommt, sollten nach meiner Auffassung vergleichbare Erleichterungen auch für Balkonsolaranlagen gelten.
Gerade in Südbayern sind die geologischen Gegebenheiten günstig für die geothermische Nutzung. Vor allem Tiefen-Geothermie Anlagen können grundlastfähigen (erneuerbaren) Strom und (erneuerbare) Wärme liefern und tragen damit zu einer Dekarbonisierung des Wärmesektors bei. Sind die in Bayern vorhandenen Potentiale der Tiefen-Geothermie aus Ihrer Sicht bereits ausreichend aufgearbeitet und den politischen Entscheidungsträgern bekannt? Welche Rolle wird der Geothermie von der Staatsregierung bei der Energiewende in Bayern zugedacht?
Aiwanger: Die Potentiale in Südbayern sind aufgrund der bisherigen Erkundungen des Untergrunds in den letzten 20 Jahren, insbesondere umfangreiche seismische Messungen, die Durchführung von nahezu 60 Tiefbohrungen von 800 bis 5.500 m Tiefe und entsprechende Reservoirmodellierungen sehr gut bekannt. Bisher sind 23 Anlagen in Betrieb, weitere werden folgen. Aufgrund der geologischen Gegebenheiten liegt der Schwerpunkt der Nutzung bei der Wärmeversorgung. Zusätzlich ist auch eine geothermische Stromerzeugung und Kälteerzeugung möglich. Die Stromproduktion ist hierbei aufgrund des für eine Dampferzeugung viel zu niedrigen Temperaturniveaus der Lagerstätten aber nur von untergeordneter Bedeutung. Allenfalls lässt sich die bisher installierte Leistung von ca. 30 MW elektrisch noch verdoppeln, soweit die geplanten Erkundungsbohrungen auch fündig sind. Die langfristige Zielvorstellung ist, ca. 20-30 % des Wärmebedarfs im Gebäudesektor durch Tiefengeothermie zu decken.
In den öffentlichen Verlautbarungen des BMWi zur Energiewende spielt die Geothermie kaum eine Rolle. Auch im regulatorischen Rahmen wird diese regelmäßig nur unzureichend berücksichtigt, mit der Folge, dass sich die Investitionsbedingungen und die Wirtschaftlichkeit von Geothermie-Anlagen verschlechtern und diese im Vergleich zu anderen Erneuerbaren-Technologien benachteiligt werden. Gibt es seitens der Staatsregierung Überlegungen, die Belange der Geothermiebranche künftig stärker zu berücksichtigen?
Aiwanger: Wie bereits beschrieben kann die Tiefengeothermie beim Strom keine große Rolle spielen. Der Beitrag zur Stromerzeugung lässt sich auch nicht durch geänderte Rahmenbedingungen verbessern, sondern ist einfach die Folge der geologischen Gegebenheiten und der allgemeinen physikalischen und thermodynamischen Gesetzmässigkeiten. Um die noch bestehenden Planungen jedoch abzusichern, wollen wir dem Bund vorschlagen, die vorgesehene Degression bei der EEG-Vergütung für die Geothermie abzumildern.
Was notwendig ist, um die Geothermie erfolgreich für die Wärmewende zu nutzen, sind massive Investitionen in den Ausbau der Wärmenetze in Deutschland. Bayern plant daher die Auflage von Förderprogrammen zum Ausbau geothermisch versorgter Fernwärmenetze. Wobei neben der Wärmeverteilung in den Kommunen auch der regionale Wärmetransport von den geothermischen Hot-Spots in die Peripherie und die Vernetzung der Projekte vorgesehen ist. Aber auch seitens des Bundes müsste hier ein Schwerpunkt in der Förderung für die Geothermie noch deutlicher gesetzt werden, z.B. duch Aufhebung der Begrenzung der Netztemperatur auf 95 °C, die zu Lasten der Mehrzahl der Tiefengeothermieprojekte geht.
Neben der Tiefengeothermie dürfen wir die oberflächennahe Geothermie nicht außer Betracht lassen. Sie stellt eine ergiebige erneuerbare Wärmequelle dar. Bayern ist hier im Bundesländer-vergleich gut aufgestellt. Weiteres Potenzial ist vorhanden. Die Technologie erfordert vergleichsweise hohe Investitionen für Wärmepumpen und Erdwärmesonden oder Grundwasser-brunnen. Dafür ist man dann aber auf Dauer von fossiler Wärmeenergie unabhängig. Die Fördersätze für Anlagen zur Nutzung der oberflächennahen Geothermie im Marktanreizprogramm (MAP) des Bundes sind inzwischen ein wirksamer Anreiz. Zusätzlich födert Bayern die Nutzung oberfächennaher Geothermie mit Wärmepumpen über das 10.000 Häuser-Programm.
Das Gelingen der Energiewende hängt für viele Beobachter maßgeblich von Lösungen auf regionaler bzw. kommunaler Ebene ab. Wir haben den Eindruck, dass die Kommunen das Thema sehr unterschiedlich angehen und oftmals eine erhebliche Verunsicherung mit Blick auf die rechtlichen und technischen Anforderungen besteht. Gibt es hier Überlegungen der bayerischen Staatsregierung den Kommunen künftig stärker unter die Arme zu greifen?
Aiwanger: Die Kommunen sind entscheidende Akteure der Energiewende. Sie sind für die Bauleitplanung zuständig und erfüllen mit ihren eigenen Liegenschaften eine wichtige Vorbildfunktion. Es ist leider richtig, dass nicht alle Kommunen mit der gleichen Geschwindigkeit und Entschlossenheit vorangehen. Wir haben bereits eine Vielzahl von Instrumenten, die Kommunen zu unterstützen. Zu nennen sind hier der Energie-Atlas Bayern mit seinen Planungstools und Fachinformationen, die Förderung von Energienutzungsplänen, die wir über die digitale Antragstellung mit ENPonline erst im Frühjahr vereinfacht haben oder die Förderung von Energiecoaches, die kleinere Kommunen beraten können. Wir wollen die Unterstützung der Kommunen weiter ausbauen, etwa über die geplante bayerischen Klimaschutz- und Energieagentur sowie die Stärkung der regionalen Energieagenturen.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, wir danken Ihnen sehr für das Gespräch.